Es war an einem unbescholtenen Sonnabendnachmittag, auf den paar Stationen von Wilmersdorf zum Herrmannplatz. Auf dem Weg zu einer „Denkrunde“ (es hieß nicht brainstorming) über Ebooks im Buchladen faszinierte mich bei einer zufälligen Reihung von Bettelei in der U-Bahn die Verschränkung von Realität und Inszenierung. Kunst und Realität, Theater und wahres Leben. Unter Schieflagen bei der Behandlung dieser Pole leiden alle Beteiligten. Folgend eine Nach- und Urlaubslese bei Christoph Schlingensief, Einar Schleef, Geoff Ryman und Peter Handke, etwas ausufernd.
Es ist postdramatisches Theater, was sich in der Berliner U-Bahn abspielt, bei dieser Estrade von Bettlernummern (siehe U7, I). Wie sich in der U-Bahn das Theatralische kaum zu übersehen der nüchtern realen Publikumsversammlung auflegt, sie durchdringt, so wird umgekehrt im Theater immer wieder versucht, den theatralischen Schein zu durchbrechen – mit echten Behinderten, Kleinwüchsigen, mit Aktionen ins Publikum hinein. Christoph Schlingensief (U3000), Einar Schleef (Die Schauspieler), der freche Roman „253“ von Geoff Ryman und Peter Handke (Untertagblues) haben das praktiziert und erörtert, und es ist so merkwürdig wie verständlich, dass dabei U-Bahn und sogenannte Unterschichten hervorragende Rollen spielen.
Wer in der U-Bahn lediglich bettelt, verkauft nur sein Elend. Wer aber die Straßenzeitung anbietet, lädt in ein Reglement, ein Ritual ein – doch alle wissen, was eigentlich gemeint ist. Es läuft eine Vorführung. Die Bettler geben vor, etwas aufzuführen, etwas zu verkaufen, bei Lichte besehen wäre der Tausch als Handel unmöglich.
Dennoch muss es vorgeführt werden, der Schein gewahrt werden, der Mantel der Rechtschaffenheit soll den Habenichts und Verlierer und Schnorrer umhüllen. Der Vorgang darf von der ersten Sekunde an belästigen, lange bevor noch die Hand mit dem Becher die Almosen erbittet. Denn es läuft ein Ritual, das seine Grenze hat. Auch der Becher hat seine distanzwahrende Funktion – eine bloße Hand würde die Distanz riskieren. So ist der Bühnenrand gewahrt, die Rampe, jeder Fahrgast willigt so oder so ein, dieses Theater hat die Funktion, die Realität zu verbrämen.
Ohne sich in die aufgefächerte Begrifflichkeit der beteiligten Wissenschaften um Theatralität, Ritual, Inszenierung, Postdrama und so weiter einzumischen: Als bewegliches Theater aus Aufführung und direkter Kommunikation, Repräsentation und identischem Moment, Performance und Realnot läuft dort eine Inszenierung ab, für die Christopf Schlingensief in seiner Performance „U3000“ eine fatale Zuspitzung inszenierte.
Ich stieß damals zufällig auf die Schlingensief-Performance, kannte ihn bis dahin nur mit Namen, und blieb fasziniert hängen. Es hatte Mitternacht oder knapp davor begonnen, und ich staunte. Es muss Anfang 2001 gewesen sein, der Musiksender MTV sendete acht 45minütige Stücke der Schlingensief-Show auf der Berliner Linie 7, von Britz-Süd nach Berlin-Spandau (darüber gibt es verschiedene Angaben), in zwei U-Bahn-Wagen, aber extraterritorial, vorgeblich „ins Nichts“ rasend.
Mal kurz, mal unverschämt kurz wurden da bekannte Prominente zu Wort gelassen, von Roberto Blanco bis zum geexten General, Reiche, Arme, Coole, Smarte, Leute, die der Moderator überwiegend nicht mochte und bloß stellte, er konnte grausam sein, aber sich auch verbrüdern. Dazwischen rief er revoluzzerhafte Thesen, klagte wirklich an oder quasselte weiß der Kuckuck was Schlaues und das Gegenteil auf, Stammgäste und Einmalreisende dienten als Kulisse.
Schlingensiefs Egozentrik war mir nie sympathisch, er bot dahingehend einiges auf, aber er schaffte es trotz aller zynischen Unverschämtheiten, dass man akzeptierte: Der hat ein großes Herz. Die „Familie“ für die jedesmal gesammelt wurde, die sich für 1000 DM und die Einladung zur nächsten Sendung ordentlich entwürdigen durfte, war jedes Mal dabei. Die Prominenten aus dem Showbiz wurden gleichsam an der Realität geprüft. Angebliche Live-Schaltungen zu einem angeblich echten Sterbenden trieben das Spiel mit der TV-Show-Pornographie auf die Spitze, dorthin, wo die bildende Kunst erst ein paar Jahre später kam.
Gleichwohl: alles nur gespielt. In einer Show, die sich wohl zunächst als eine Mediensatire verstand, war Armutsrealität immer nur eine Komponente, ein Teil des Skripts, ganz egal, ob die Behinderten und Armen echte Leute waren. Denn die Kritik der Medien- und Oberflächendummheit und –Verlogenheit einer Gesellschaft, die selbst als als TV-Show, als Theater auftritt, bleibt verständlicherweise in deren Grenzen.
Es hat keinen Zweck zu behaupten, sie sei zu durchbrechen, zu behaupten, hier würden die Sozialhilfeempfänger nicht ausgestellt, nicht missbraucht etc. Sie gehören zur gleichen Ebene wie der Moderator und die Bands. Die Grunddisposition „Medienproduktion“ saugt gewiss nicht alle Eigenheit auf, wie verlockend wäre es, eine Schlingensief-Version von „Bauer sucht Kuh“ zu sehen. Aber den Bühnengraben überspringt sie nicht, sie bestätigt ihn.
Dank Schlingensiefs überdrehtem U3000 aber kann man an einem unschuldigen Sonnabendnachmittag auf der U7, in umgkehrter Richtung unterwegs, die Estrade der Bettler als wunderliche Umkehrung der Show zumindest in Hinsicht der verschiebbaren und dann doch so haltbaren Pole Realität und Fiktion wahrnehmen, freilich viel dröger, langweilig wie das Leben selbst.
U7, III
Schon Konstantin Stanislawski soll vor hundert Jahren mit seinen Schauspielern in ein reales Elendsquartier gezogen sein, um für eine Inszenierung von Gorkis „Nachasyl“ die Realität auf die Bühne zu zwingen, wie sie ist. Wir wissen nicht, was es gebracht hat, aber vermuten, dass die Entfernung zwischen Schauspielern und Obdachlosen heute ebenso groß ist. Schauspieler und Regisseure interessiert dabei heute dennoch eher der Zusammenprall zwischen Schein und Sein, zwischen Bühne und Realität.
Die Unmöglichkeit, das Elend der Realität zu erfassen in der glatten Schauspielerei, hat Einar Schleef generell interessiert und dazu gebracht, ein Stück wie „Die Schauspieler“ (UA 1988, Suhrkamp, 2001) zu schreiben. Stanislawskis Notizen über die genannte Inszenierungsvorbereitung und das Stück haben dafür als Vorlage gedient. Eine Handvoll Schauspieler sucht die gescheiterten, aber selbstbewussten Realitätsbewohner in ihrem Asyl auf.
Wie man es sich vorstellen kann, kommen die Fremden nicht zusammen. „Als Lear habe ich die Galerie erschüttert, hier will mir keiner Gehör schenken.“ Die größte Gemeinsamkeit liefert der Schnaps. Sie reden aneinander vorbei, verhöhnen sich gegenseitig wie untereinander: die üblichen Theatersottisen. Es kommt zu Misshandlung und Vergewaltigung: „Wenn sie das übersteht, ist sie um eine Erfahrung reicher.“
Es ist sowieso egal, was die Schauspieler tun, sie sind die Wortklauber und Schicksalsdiebe, alles was der Text des zu probenden Stückes erzählt, sei Lüge. „Wie ihr jedesmal hereinschleicht, vollgesoffen an den Schmerzen, die ihr uns andichtet. Kaum fähig zu sprechen.“ Draußen vor der Theatertür stürmen Soldaten, aber als sich die Lage beruhigt, zieht die Schauspieltruppe Leine, zieht von dannen, zurück ins Theater. Das Theater ist an der Realität gescheitert. Es ist erstaunlich, wie wenig Schleefs Text theoretisiert, nein, dass er es überhaupt nicht tut. Die theoretische Frage nach Bühne und Realität bleibt ganz und gar bei den Figuren, die Parabel ist klar, und bei aller Traurigkeit, die der unflätige Ton mitbringt, ist das ein lustiges Stück.
Einar Schleef hat in den seinen Tagebüchern auch von einer gespenstischen U-Bahnfahrt erzählt, in der die Realität ganz ohne Verschiebung zu einem geradezu mythischen Trauma wird. Die Westberliner U-Bahn führte bekanntlich unterirdisch ein paar hundert Meter durch den Osten – schnell vorbei an den aufgelassenen Stationen, deren Eingänge vermauert waren, die durch die ostdeutsche Grenztruppe oder Polizeit bewacht wurden. Unter ostdeutschen Flüchtlingen in Westberlin, schreibt Schleef, kursierten Geschichten, dass solche Züge angehalten, durchkämmt und Flüchtlinge herausgeholt, zurück in die ostdeutschen Gefängnisse verschleppt worden seien. Seine Freundin Gabriele Gerecke hatte ihn gebeten, nie durch den unterirdischen Osten zu fahren. Als er es doch einmal tat, hielt der Zug prompt im Osten an und das Licht ging aus. Eine um Geduld und Ruhe bittende Durchsage verfehlte im schweigenden Waggon ihr Ziel. Nach einigen Minuten sei es dann weiter gegangen, so Einar Schleef, und man sah durch das Fenster im Dunkel uniformierte Männer, die einen in ihrer Mitte festhielten, wegbrachten.
U7, IV
Oder ist es alles U-Bahn-Theater, eine Performance für Leute, die dafür bezahlt haben und sich just an diesem Sonnabendnachmittag kurz vor 14 Uhr auf der U7 nach Herrmannplatz verabredet haben? Durchaus möglich. Da wird etwas Schnurriges, eine kurze Trott-Verletzung, inszeniert, nur wir unfreiwilligen Mitspieler wissen nicht, dass alles nur gespielt ist. Drum herum hat sich ein kleines Publikum gesammelt und feixt noch still vor sich hin?
Das U-Bahn-Theater „Mind the Gap“ spielt eine Hauptrolle in Geoff Rymans sogenanntem, Roman „253“, der als erster Internetroman bezeichnet wird (aber die Verlinkung klappt nicht: http://www.ryman-novel.com/info/about.htm), 1998 ist er gedruckt worden. Ryman hat 253 Personen (mit Fahrer) in einen Zug der Londoner Subway gesetzt, so viele, wie Plätze sind. Sie werden Seite für Seite, Wagen für Wagen, Sitz für Sitz von vorn bis hinten durch den Zug beschrieben: private und berufliche Skizze, wie sie aussehen, was sie gerade machen oder denken. Es gibt Interaktionen zwischen ihnen, der Leser kann vor- oder zurückspringen und die letzten Minuten dieser Fahrt in zwei, drei Figuren-Gewichtungen zusammensetzen.
Von „Big Issue“, was für ein schöner Name für eine Obdachlosenzeitung, ist die Rede in Zusammenhang eines Amerikaners, für den sich vier Frauen interessieren. Der einnehmende Verkäufer steht auf dem Bahnsteig und hat für seine Verehrerinnen und wegen diverser Verfolger mehrere Identitäten. Passagier 57, Ms. Maggie Rolt, Analystin, möchte, dass er bei ihr einzieht: „Genau das will sie ihm heute sagen. Aber ihr schwarzer Mantel, die Adventure-Capital-Hochglanzbroschüre und ihre rote Jacke wehren sich heftig. Schon bei der Generalprobe in der U-Bahn rutschen ihr die Worte zur Seite, als wollten sie jemandem ausweichen, der sie beobachtet.“
Doch mehr noch als mit der Multikultur und Konfrontation der Schichten in der Londoner U-Bahn und mit dem vitalen sozialen und individuellen Stress ihrer Benutzer – von Todeserwartung, Babydiebstahl bis zu Armut und Liebeskummer – fasziniert der Roman als Spiel um Realität und Fiktion, um Kunst und ihr Verhältnis zur Realität. In dieser Hinsicht ist das Buch – zumindest in Deutschland – wohl etwas unterbewertet, es ist kein rein spielerischer Hypertext mit 253 mal 253 Worten (ich habe nicht nachgezählt).
Im bösen Finale zum Beispiel, dass Ryan Wagen für Wagen erzählt, heißt es über Passagier 109, Any Ruderian, Fotografin: „Der Zug hört endgültig auf, sich zu bewegen, und alles stürzt vorwärts in Fahrtrichtung. Anyas Arme werden hochgerissen, aber sie hält ihre Kamera fest: klick, klick, klick. Das vordere Ende des Wagens beginnt sich zusammenzufalten und platzt dann wie ein Vulkan. Die beiden Männer werden hochgeschleudert, als der Boden sich aufbäumt, und Anya surft auf der Blechlava, ohne ihre Frontberichterstattung auch nur einen Augenblick lang zu unterbrechen. Erlösung durch Kunst.“
Passagier 151, Ms. Susann Wheen, finanziert ihren Schauspielunterricht (!) mit einer neuen Form der Werbung, die sie „Wirklichkeitsbearbeitung“ (!) nennt. Sie liest gegen Entgelt das Buch „Clean and Jerk“, bzw. tut so, als lese sie: „Statt dessen konzentriert sie sich auf die Darstellung verschiedener Leseerfahrungen: konzentrierte Aufmerksamkeit, Verblüffung bei einer überraschenden Wendung; Gefühlsaufwallungen, bei denen ihr die Tränen in die Augen schießen. Manchmal gelingt es ihr sogar, einem völlig Unbekannten zu sagen: „Das ist ein wunderbares Buch!“ Sie fühlt sich bald gestört durch eine laut singende alte Frau, verlässt den Zug und sagt sich, die „Buchkäufer steigen sowieso alle in Waterloo aus.“ Der Crash kommt danach.
Gnade hat der Autor natürlich für das U-Bahn-Theater „Mind the Gap“, auch die Schauspieler und ihr Publikum dürfen aussteigen, kein Wunder, denn er gehört selbst zu den Akteuren. Von drei Mitspielern, einem Kunden, also einem Zuschauer, der bezahlt hat und von weiteren Mitreisenden, die das Geschehen als Inszenierung durchschaut haben, erfährt man sukzessiv, was dort passiert.
Ein kurzer Sketch war geplant, nachdem sich Geoff Ryman als Passagier Nr. 96 auf einen anderen gesetzt hätte. Nur setzte sich Geoff (der Autor) auf eine echte U-Bahn-Reisende, die sich anders beschwerte, als theatralisch zu beantworten war, und schnell war die Polizei zur Stelle. Die Spieler und Zuschauer werden verhaftet, weil einer die Lizenz vergessen hat, die allerdings sowieso gefälscht ist (!).
Noch einen Schlenker macht Rymans Spiel um die Bühnenrampe, als der Amerikaner, der „Mind the Gap“ mit engagiert hatte, nicht beim Theateract, sondern erst dann richtig loslacht, als die Truppe verhaftet wird. Denn er hält die reale Szene mit den Beamten auch für Theater, das sich auf dem Bahnsteig fortsetzt – wie übrigens der Debütant Geoff Ryman als Passagier 96, der alles vermasselte und damit sein Leben rettete, selbst. Also komplette Verwirrung, wo die Realität in das Buch, wo die Fahrt in das Stück, in das Theatralische, die Bühne, die Inszenierung übergeht.
Fotografin, Leserin, Theaterleute und Autor – aus den herrlichen Details der spröden Konstruktion muss geschlossen werden, dass der Name des Theaters „Mind the Gap“ das Programm verrät, nicht nur des U-Bahntheaters. „Beachten Sie die Lücke zwischen Bahn und Bahnsteig“ wird dort gesagt und es heißt: Verwechsle nicht die Kunst mit dem Leben.
U7, V
Auf Geoff Ryman folgte Peter Handkes „Untertagblues“ eine U-Bahn-Fahrt durch 20 Stationen. (Und wer wissen will, wo der Leipziger „Centralbus“ herkommt, könnte in einer Grazer Inszenierung des „Blueses“ fündig werden, wo man mit dem Bus in der Umgebung umherfuhr und das Stück darin aufführte.) Das Stück wurde auch als eine Art Variante der „Publikumsbeschimpfung“ erörtert, die im U-Bahn-Modell die Grenze aufhebt, doch scheint das Handke über die Grundkonstellation hinaus nicht mehr viel zu interessieren. Er entwickelt im Grund einen Gegensatz zwischen Ich/Literatur und Restwelt, für den es ohne Belang ist, ob eine Bühnenrampe dazwischen ist oder nicht.
Der Untertagblues setzt das Publikum, das in der „Beschimpfung“ von oben angeredet und höchstens im Parkett besucht wurde, ins „gleiche Boot“, in den gleichen Zug, als „Großes Welttheater“. Der Monolog beschimpft alles und alle. Er ist eine Tirade, die niemanden auslässt: „Ihr Leute von heute: so häßlich wie noch nie welche. … Als Ertrunkene wärt ihr schöner als jetzt hier. Als Erhängte gewännet ihr Würde.“ Die Wortformen von häßlich könnten die häufigsten dieses Monologs sein. Bei Handke ist das Volk in seiner Hässlichkeit eins, da gibt es keinen Platz für Differenzierung in, zum Beispiel, lesende und bettelnde U-Bahn-Benutzer.
Als dann alle ausgestiegen sind, kommt der – recht un-dramaturgische – Zusammenbruch. Er braucht sie, die hässliche Brut: „ach, war das schön. Er wird immer leiser. Ach, allein kann ich einpacken. Wo bleibt ihr, liebe Häßliche?“ – anschließend liest ihm die Wilde Frau, eine „Frau von blendender und zugleich medusenhafter Schönheit, entsprechend kostümiert, in Richter- oder Rächerrobe“, die Leviten: „Dein Schönheitswahn dein Verderben. … Allerhäßlichster, der du alles verhäßlichst mit deinem häßlichen Blick.“ Und indem er sich ihr ergibt, wird er erlöst. Das Ende ist dann etwas blass.
Vielleicht hat sich Handke von Schlingensief anregen lassen? Schlingensief rief in den diversesten Möglichkeiten Halleluja, Halle-Luja. Handke scheint ihm im dritten Satz seines Stück Reverenz zu erweisen. Dort lässt er den „Wilden Mann“, der auch „Volksredner … oder Spielverderber oder Volksfeind“ genannt werden könne, so die Stückanweisungen, ein einziges Mal Halleluja ausrufen. Das kann natürlich Zufall sein. Aber die Konstellation ist ähnlich: quasselnder, schimpfender „wilder Mann“ umgeben von Statisten. Weit ist es nicht. Handke wendet die Rede des Wilden Mannes auch von Person zu Person, wie sich die Gäste bei Schlingensief abwechseln (wie sie Geoff Ryman Seite für Seite porträtiert; aber auch das steckt in der Natur in der Sache).
Bei Handke führt die Fahrt nicht in den Crash, sondern hat einen hellen Ausgang. Die Bahn fährt ins Freie, festliche Menschen kommen zurück, eine mystische Lichtwerdung, wie man es von dem Autor kennt, fast könnte man eine „Himmelfahrt“ annehmen (Veronika Lassenberger). Auch das Lesen spielt bei Handke eine Rolle. Er verurteilt es, es sei kein inneres, sondern nur ein äußeres: „Wem wollt ihr bloß derart vortäuschen, daß ihr Leser seid?“, ruft der Wilde Mann, und geißelt die gerunzelten Stirnen. Wohin das Täuschen des Lesens kommen kann, hatte Geoff Ryman mit seiner Werbe-Leserin, Passagier 151, schon erzählt.
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