Kurzes Resümee einer Podiumsdiskussion „Kunstkritik“ beim Fachtag des sächsischen Künstlerbundes in Hellerau, 4.7.2011
Die „Krise der Kunstkritik“ hat offenbar Konjunktur, aber selbstkritisch wird die Kunstkritik dabei nicht. Sie bemängelt, wie weiland im Sozialismus, die „Erscheinungen“, nicht das System. Das war mein Fazit direkt nach einer Diskussion in Hellerau; es hat sich, als ich jetzt das Resümee nachreiche, bestätigt.
Die Diskussion war eine merkwürdige Veranstaltung, was damit begann, dass auf dem Podium des Fachtages nicht nur Kritiker und Kritikerinnen saßen, sondern eine Agentin für Kunst, für deren Öffentlichkeit. Sie kritisiert nicht, sie makelt Berichte über Kunst, die auch Kritik erhalten können. Ihr kann im Grunde an substanzieller Kritik an ihren Klienten nicht gelegen sein. Es war durchaus symptomatisch, dass diese Konstellation weder auf dem Podium noch aus dem Publikum heraus diskutiert wurde.
Da fällt mir eine Beobachtung ein. Hamburger Bahnhof, Wolfgang Tillmans-Ausstellung 2008, große Retrospektive eines neuen Stars. Ein Mitarbeiter einer überregionalen Zeitung, der nur selten Kunstkritik schreibt, tritt bei der Pressebesichtigung zu zwei Kollegen und begrüßt sie mit einer herablassenden Bemerkung über die Ausstellung – die von den Kollegen mit einem ordentlichen Echo bestätigt wird. Denn er ruft aus: „Na, das wäre doch mal eine Aufgabe für die Kunstkritik!“ Darauf hin aber wird beschwichtigt; und die Kritik in dieser Zeitung blieb im Rahmen.
Wenn schon dort Veranlassung bestand, ein offensichtlich hochgeschwemmtes, vom Markt aufgebauschtes Ereignis zu verschonen, kann man sich vorstellen, wie lange wir auf eine Neubewertung von langfristig hoch bewerteten Werken warten müssen. Sie wird kommen, aber eher später als früher, mitunter beginnen solche Diskussionen am Rand, in der „Kunstzeitung“, mit einem verschämten Pro-Kontra; aber Lust auf Kunstkritik macht das nicht.
Auf dem Podium in Hellerau haben wir es versäumt, diese Grundlagen der Diskussion zu klären. Ich hatte auch nicht den Eindruck, dies forcieren zu sollen – wir hätten mehr aneinander vorbeigeredet als in der verträglicheren Variante. (Zumal direkter Widerspruch scheiterte: es gab nur ein Mikrofon.) Für mich ist beispielsweise, sei wiederholt, das Kunstmagazin art keine Zeitschrift, in der Kunstkritik steht. Sie will vermitteln und unterhalten. Das ist kein Klima für Kritik. Darüber hinaus hat Kunstkritik mindestens Scheuklappen angelegt, in den Kunstbetriebszeitschriften andere als im flachen Journalismus.
Bevor die nicht fallen und einige heilige Kühe geschlachtet werden, werden gewiss diese und jene trefflichen Sätze geschrieben werden; es ist nicht unmöglich. Es gibt Kunstkritik. Doch das ganze Dach der Kunst ist verschoben; ich fühlte mich, solange als „Kritiker“ tätig, besser, indem ich mich bescheiden und unbescheiden als Journalist und Kunsthistoriker bezeichnete; zumal in der für den Kunstbetrieb ganz und gar unbedeutenden Leipziger Volkszeitung niemals die Vorbehalte einer kunstkritischen Entscheidung zu erläutern waren. Das scheint mir nicht ausreichend, um guten Gewissens das Wort Kunstkritik zu gebrauchen. Die Relationen stimmen einfach nicht, zum Beispiel zwischen einem anthropologischen Begriff von Kunst und den sozialen Gewohnheiten damit in der Gegenwart. Gerrit Gohlke sei zitiert, der wohl die besten Reflexionen über Kunstkritik notierte und „Trennkost“ empfiehlt: „Die Kritik muss aufhören die simpelsten Gesetze einer Unterhaltungsindustrie durch Auratisierung zu bemänteln.“ Das ist eine Mindestforderung.
Hinter den Thesen von Gohlke oder, ganz anders, von Klaus Honnef, blieb die Diskussion, sicher dem Anlass gehorchend, weit zurück. So mussten die üblichen Verdächtigen herhalten: die „Qualität“, die „Kriterien“, die Moral, das Verhältnis zwischen Vermittlung und Kritik, die Ausbildung der Kritiker, die Platz-Ohnmacht in den Tageszeitungen usw. Dass Künstler die Kunstkritik unter Umständen brauchen, dass Leser Orientierung wünschen, wurde aus dem Publikum bestätigt. Soweit so gut, gewiss meint der eine dies damit und die andere jenes…
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