Der entspannte Blick beim Urlaubseinkauf nimmt Kenntnis von einer Brotbüchse, die an Kommissbrot erinnert. Der schlaue Zeltplatzhändler hatte sie unfehlbar platziert. Strandgünstig verpackt, reich an Kohlenhydraten und Ballaststoffen. Sowas gibt’s auch zuhause, argumentiert die Weißbrot-mit-Nutella-Fraktion, und teuer sei es auch. Doch mit einem papiernen Anhänger setzt sich die Vollkorn-Brotbüchse durch. Denn daran greift kein Kunstfreund vorbei: BROT UND KUNST steht da Gelb auf Schwarz, die Künstler-Edition PANEM ET ARTES, 18. Ausgabe, eine Künstlerbrotbüchse von Ding Yi, Shanghai.
Etwas über Kunstverhältnisse (aus der Homepage des Herstellers, Hervorhebungen von mir): „PANEM ET ARTES ist der Titel für die Edition von Brot-Kunst-Sammeldosen. Diese exklusiven Brotdosen werden seit 1994 mit Kunst, die jährlich wechselt, bedruckt. Mit dieser besonderen Plattform zur Präsentation ausgewählter Kunst demonstriert die Gütersloher Großbäckerei im Jahr 2010 schon im siebzehnten Jahr gesellschaftliche Verantwortung und Kreativität. … ‚Mit dem Projekt geben wir Malerinnen und Malern ein internationales Forum für ihre Arbeiten’… Die geförderten Künstler erhalten für jede verkaufte Brot-Kunstdose eine interessante Lizenzgebühr. Darüber hinaus erhöhen die Brotdosen den Bekanntheitsgrad der Künstlerinnen und Künstler. Mit der kreativen Brotverpackung will Mestemacher außergewöhnliche Akzente im Brotregal setzen: „Wo gibt es sonst schon echte Kunst im Supermarkt? …“
Dass solcherart mit Kunst geworben wird, spricht für ihren sozialen Stand. Dass es als „Förderung“, „echte Kunst“, „besondere Präsentation“ und Popularisierung verpackt wird, dagegen. Denn darunter stellt man sich anderes vor. Es liegt der übliche Regelverstoß vor: Werbung, Marketing und Markenbildung, Design, Kunst und Engagement werden unangenehm vermischt. Er funktioniert dennoch, denn die Hauptfunktion Aufmerksamkeit zu erhaschen, garantiert die Aktion – durch die verwendete Kunst, durch die Künstler. Aber hat wirklich jemand das Gefühl beim Kauf dieses Brotes, die Kunst zu unterstützen? Das Unternehmen meint das, es liefert auf einer anderen Seite seiner Homepage die Dekonstruktion des Engagements gleich mit: „Der Trend zur Moralisierung der Märkte steht erst am Anfang. Konsumenten präferieren demzufolge Produkte und Dienstleistungen, die zum Grundnutzen auch einen moralisch-ethischen Zusatznutzen auszeichnen. Dieser entsteht dann, wenn der Käufer den moralischen Werten und Normen, die Produzenten und Anbieter über Soziale Projekte kommunizieren, eine positive Bedeutung zuschreibt.“
Vielleicht werden diese „Brot-Kunst-Sammeldosen“ endlich auch eine neue Wohnkultur begründen? Schon ein paar Jahre vermissen wir auf den Schrankwänden die Bierbüchsen von hier und dorten in der Welt, die ehedem die Weltlust und den Erfahrungshorizont ihrer Bewohner dokumentierten. Ich stelle mir die Brot-Kunst-Sammeldosen im Ikea-Regal vor, habe aber noch kein Bild von denen, die sie dort hinstellen.
Leider passiert den brotverkaufenden Kunstliebhabern dann noch ein durchaus unfreundlicher Fauxpas. Vor ihren herzlichen Grüßen und der handschriftlich gedruckten Unterschrift der Professorin und Frauenrechtlerin, Kunstsammlerin, Konzeptentwicklerin und Leiterin von Panem et Artes steht als letzte Formulierung auf dem Papier-Anhänger das Bonmot: „Kunst muss nicht brotlos sein.“ Das ist in diesem Zusammenhang zwar hübsch, aber genau dadurch und eingedenk der Kunstverhältnisse eine durchaus zynische Pointe.
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