In Zeiten, in denen der LVZ-Kunstpreisträger Jochen Plogsties im Museum der bildenden Künste mit grausigen Kopie-Nachahmungen auftritt, die Leipziger Schule ihr Leben also als Appropriation art aushaucht, ist die Beschäftigung mit den Kopien des „Fälscherkönigs“ Konrad Kujau erfrischend. Ein artour-Beitrag bot Gelegenheit dazu. Darin ging es um das schöne Paradox, dass Kujau nach seinem Tod im Jahre 2000 selbst gefälscht wurde, was im Sinne der „Aneignungskunst“ allerdings kein Paradox wäre.
Zur Erinnerung: Kujau, der Skandal der erfundenen Hitler-Tagebücher 1983. Ein finanziell bedrückter Stern-Reporter wollte an sie glauben und mit ihnen reüssieren, der Stern wollte die Story und fiel grandios herein. Im Spiegel des Vorfalls hätte man auch den geilen Voyeurismus der Medien – der deutschen Öffentlichkeit – erkennen können; letztendlich gründet die Karriere eines Guido Knopp auf den gleichen Voraussetzungen.
Konrad Kujau, geboren 1938 in Löbau, wollte gut leben und etwas gelten, effektheischende Auftritte liebte er den Berichten nach schon als FDJler. Als er in den 1990er Jahren öfter wieder in seiner sächsischen Heimat agierte, wurde die schmierige Existenz dieses geschickten Fälschers offenbar.
Vor den vielen Kladden der „Hitler-Tagebücher“, die zweifellos historisch sichere Orientierung voraussetzten, hatte Kujau diverse Schriftsätze und Devotionalien der NS-Zeit gefälscht und gut verkauft. Seinen Charakter und die Tiefe seines Interesses würde recht treffend die Tatsache charakterisieren, dass er schon vor 1956 in Löbau mit gefälschten Widmungen von Berliner Parteigrößen Geld gemacht haben soll. In den 1990er Jahren kündigte er Honecker-Schriften an, die Unterschrift konnte er schon.
Nach seiner Haftstrafe für das Stern-Desaster verlegte er sich auf Gemäldekopien. Kujau hat vermutlich wenig selbst gemalt. Er konnte Miro nachahmen, vielleicht auch Expressionisten und andere Moderne. Für schwierigere Aufgaben ließ er andere – heimlich – für sich arbeiten, wie das zeitgenössische Weltstars des besser angesehenen Kunstbetriebs ja auch tun, und oft gar nicht heimlich.
Der Schwarzwälder Maler Philipp Schnauthiel hat neun Jahre für Kujau produziert, nach Schnauthiels Aussage mehr als 50 Motive der alten Meister und viele neue, „die ganze Palette“. Wenn eins verkauft wurde, hat er umgehend Ersatz gemalt. Kujau hat signiert. Unter dem Label der „Fälschung“ musste das laufen, das war seine Marke.
Was das für Leute sind, die sich für zwei bis vier Tausend Euro einen „Renoir“, „Spitzweg“ oder „Modigliani“ von „Kujau“ anschaffen, sei dahingestellt. Es sind nicht die gleichen, die sich ein etwas teueres Bild von Mike Bidlo kaufen, das dieser Appropriation artist von „Picasso“ nachgemalt und mit einer intellektullen Volte verbunden hat.
Witzig wird die Angelegenheit, als nach Kujaus Tod eine Frau gleichen Nachnamens, ihrer Angabe nach Großnichte, die vorher schon seine Bilder vertrieben hatte, nun aus China georderte Kopien mit dem Namen, mit der Signatur Kujau versah. Sie fälschte Zertifikate und trieb gewissermaßen als Fälscherin des Fälschers die Prozedur auf die Spitze. Das wurmte eine süddeutsche „Kujau-Schülerin“, von ihr kam die Anzeige.
Allerdings hatte der Großhandel – man suche im Internet eine Gemäldeabbildung, und es kommen sogleich drei Angebote für eine „Original“-Kopie – die chinesischen Kopien schon zu Kujaus Lebzeiten in Massen angeboten, und Philipp Schnauthiel, der für Kujau auch Farben, Rahmungen etc. besorgte, bezeugt: der „Fälscherkönig“ hat sich selbst schon bei den Chinesen bedient.
Das bedeutet, die verurteilte Dresdnerin hat „werkpraktisch“ nichts anderes gemacht als Kujau, dann allerdings signiert und verkauft. Wenn sie sich dafür vorher eine notarielle kunstprogrammatische Beglaubigung hätte ausstellen lassen, sie tue es aus Gründen der Kunst, im Sinne der Appropriation art, und wolle eine Diskussion über Originalität und Kreativität, Urheberrecht und künstlerische Freiheit provozieren, hätte sie gewiss weitere mildernde Umstände angerechnet bekommen.
Besser geschieht das nirgendwo in der galerieeng abgefederten Appropriation art. Oft hat die Aneignung dabei nur eine Funktion in der Aufmerksamkeitsökonomie, jedenfall sind diese Effekte die besten. Interessant ist die Frage zweifellos, warum gegenwärtige Kunst so uferlos kontextorientiert ist. Voller Anspielungen dahin und dorthin (ob Kino, Literatur oder Kunst), intelligenter und kunstvoller in den Fällen, in denen der Appropriationsbegriffs nicht notwendig ist.
Übrigens ritt Kujau kurz vor seinem Tod selbst dieses Pferd: In seinem Büchlein „Die Originalität der Fälschung“ (1998) zitiert „Kujau“ (wer immer das geschrieben hat) Baudrillard, den er im Gefängnis gelesen hätte: „Das Simulationsprinzip überwindet das Realitätsprinzip…“, also jenen zeitgeistig so verhehrenden Glaubenssatz, die Verhältnisse zwischen Wichtig und Unwichtig, Wahr und Falsch usw. seien in der Welt der modernen Kommunikation aufgehoben, eine „Euphorie der Simulation“ sei ausgebrochen, die alles in sich aufsaugt und vereinheitlicht.
Darin heißt es auch: „Das Tagebuchwerk war eine Fälschung, deren Sinn – wie bei jeder ernstzunehmenden – nicht Verstellung hieß, sondern Enthüllung! Ja, heute würde ich es als eine kunstpädagogische Maßnahme gesellschaftlichen Ausmaßes bezeichnen, was ich beabsichtigte. Meine Damen und Herren Schlauschwätzer, nehmen Sie es bitte zur Kenntnis: Dieser Coup war überhaupt nur zu landen, indem er aufflog! Denn es war ein Beitrag zu einer Neugestaltung des Kunstbegriffs…“
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