Neulich im Drogeriemarkt. Eine beleibte junge Frau in körperengem Schwarz versuchte ihren flott in Richtung Waschmittelflaschen tappenden Sohn zu stoppen. Sie rief ihn in jener anschwellenden Art, wenn Mütter die Frage in ihre Ermahnung mixen, ob die Kleinen es eigentlich nicht besser wissen müssten. NeooO!?, rief sie. Neo hörte nicht und wurde nicht gar so gewaltfrei zur Spielecke deportiert.
Hab ich was verpasst?, dachte ich. Wie viele Neos mag es schon geben, wieviele in Leipzig? Und hat das mit Neo Rauch zu tun? Die hiesigen ‚häufigsten-Vornamen‘-Listen sind ja eigentlich seit Jahren stabil langweilig. Eltern wissen zwar, dass der Vorname der Kinder positiv auf deren Leben wirkt, setzen aber gern auf vermeintliche Klassiker, statt ungewohnte Namen zu wagen.
Es ist verzwickt, denn die Bewertung der Namen verändert sich. Weil sich meist die ambitionierten Eltern abheben wollen, wird unter den ‚besseren Leuten’ ein eigenes Vornamen-Cluster gebildet. Wenn viele die neuen Namen nachahmen, werden die gewöhnlich und aus der Spitzengruppe wird langsam der Mainstream. Längst aber formiert sich eine neue Vornamen-Avantgarde, so geht es weiter. Ist Erwin nicht auch schon wieder da?
Schön wäre zu wissen, an welchem Punkt im Umlauf des Namens Neo von ‚absolut gewagt’ bis ‚leicht gewöhnlich’ wir uns gerade befinden. Ich hatte vorher allerdings noch nie von einem kleinen Neo gehört; vielleicht nur verpasst?
Wenn man sich an die damalige Hysterie erinnert, könnte es von Malers wegen schon ältere Teenager Neo geben. Tatsächlich in Neo Jork wurde ich einmal vorgestellt: ‚He’s from Leipzig, he knows Neo Rauch.’ Das kommt nicht wieder. Ein bald 60jähriger Neo Rauch, selbst wenn er sich in welchen Adel auch immer weiter ‚nach oben’ bewegt, ist doch weit weniger spektakulär, als es der jugendlich wirkende Enddreißiger gewesen ist.
In einer Liste der am klügsten geltenden Vornamen (Modus nicht ganz klar, 2016) der Internetseite Karrierebibel rangiert Neo auf dem 17. Platz, gleich nach Lian, Tristan und Mio und vor Levi, Constantin und Samuel. Ganz oben stehen auf dieser Liste Mattis, Elijah, Lars und Jaron. Bei Babyclub.de wird eine Bestenliste der Vornamen der letzten 12 Monate geführt – auf der Grundlage von Votings, immerhin eine Stimmungsanzeige. Dort nimmt Neo aktuell den 79. Platz ein, so ähnlich wie im Vorjahr, nach ihm Joel, Robin, Fynn, Pepe und Nils. Als ‚klug’ auf Platz 17, allgemein auf 82, daraus könnte man ableiten, der Name Neo bewege sich aufwärts.
Realistisch betrachtet sollte der Vorname des Malers wohl weniger ins Gewicht fallen – als der Name des Filmhelden Neo aus der Matrix-Trilogie. Die Filme kamen 1999 und 2003 heraus. Das wäre dann allerdings die Kevin-Fraktion, Namen nach Pop und Film, hier nach einem Weltretter: Es kann nur einen geben, die xte. Oberflächlich typisiert, könnte man die Frau aus dem Drogeriemarkt in die eher plebejische Schublade stecken, was freilich gar nichts heißt.
Es ist ohnehin nicht offensichtlich, dass der Name vom Film herkommt. Weder damit noch mit der Hysteriekurve des Malers ist die ‚Karriere des Neo’ direkt zu erklären. Die Liste der zuletzt genannten Webseite macht zwar misstrauisch – der Name Neo erhält mehrere Jahre kontinuierlich 1986 Stimmen; ihre Tendenz könnte dennoch stimmen: Erst nach 2012/2013 wurde der Name etwas gebäuchlicher. Woher kommt er also? Eher vom zehn Jahre älteren Film (dessen zweiter und dritter Teil nicht zum Ruhm des Namens beitrugen) oder aus dem Nachklang des 2009/2010er Neo-Rauch-Mediengeschehens? Oder gibt es doch noch ‚einen anderen Namensgeber‘, vielleicht eine zweite Popularitätswelle für Matrix?
Ist ein Name erst einmal als chick erkannt, entwickelt er sich selbst weiter. Die Gesellschaft für deutsche Sprache veröffentlicht leider keine längeren Listen, mit denen ein genauer Verlauf zu erkennen wäre. Nach einer weiteren Quelle stand ‚Neo’ Im Jahre 2016 auf Platz 154 der vergebenen Vornamen, was sich tief unten im Promillebereich bewegt, da wäre noch genügend Luft nach oben.
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