Neulich, es war auf der A 9, machte mich dieses Zeichen ratlos. Müsste ich jetzt etwas Böses tun oder Gutes? Sagt sich übermächtiger Sex an oder trinitarische Einwohnung? Die neunmonatige Verheißung schließe ich aus.
Sind ja nur Ziffern und Zahlen?, keinesfalls. Zweifellos bildet die Sechs die Mitte der Reihen auf dem Tacho. Gern würde ich jetzt den großartigen Augustinus zitieren, wie er über die Sechs schwelgt, die vollkommene Zahl, weil, nur das, weil sie Summe und Produkt ihrer Einzelteile ist, 1 + 2 + 3 = 1 x 2 x 3, und weil so auch das harmonischste Dreieck entsteht und so weiter. Aber es würde jetzt zu lange dauern, in der unharmonischen Bücherverteilung hier um mich herum des Augustinus’ wörtliche Auslegung der Genesis zu finden, außerdem läuft TV, Gene Hackman und Danny DeVito.
Das war die milieutypische Überleitung. Vielleicht hatten mich die mitlaufenden Sekunden am Anfang des Bundestagswahlkampfes zu sehr irritiert, als im TV peinlich darauf geachtet wurde, dass die Kandidaten der verschiedenen Parteien gleich lange Redezeit erhalten. Irritierend war weniger die Gleichbehandlung selbst als die implizit schuldbewusste Offenlegung: Wir achten sekundengenau auf die Redezeit, wir haben Grund dazu. Das Thema ist nicht neu. Doch hat sich die sogenannte Mediendemokratie nicht ordentlich diversifiziert? Kann schon jemand belegen, dass die kommenden Verschiebungen durch das Internet und die Sozialen Medien befördert worden sind? Das würde bedeuten, dass das nach euphorischen Hoffnungen schon abgemeldete Internet sich doch ‚demokratierelevant’ auswirkt, nun gerade anders als erhofft.
Die mitlaufende Uhr war am Ende bei der ‚Elefantenrunde’ verschwunden, doch explizite Bemerkungen der Moderatoren verwiesen darauf – wobei die beiden wichtigsten ‚Spitzenkandidaten’ aus durchsichtigen Gründen ferngeblieben waren. Die eine hat soviel alleinstellige Präsenz, dass sie einen Auftritt als Kandidatin unter ‚vermeintlich gleichen’ klugerweise vermied; der andere steckt in der Falle seiner Behauptung, er sehe sich als Alternative und muss also wegbleiben, wenn die andere nicht kommt. Ihr Verzicht auf TV-Präsenz ist also kein Gegenbeweis.
Aber was ist diese TV-Symmetrie wert, wenn es ‚ernst wird’? Ein, zwei, keine drei Tage vor Herbstanfang am Zweiundzwanzigsten Neunten (es geschah 22.02 Uhr, aber das wird hier keine Konjunktion, keine Sorge) wurde es dann schon 22.22 Uhr, tatsächlich, als der Spitzenkandidat der FDP in der Runde erstmalig reden durfte und das Menetekel aussprach: Es ging doch immer um die Flüchtlinge. Das Wort hatte das Momentum wie die damit verbundenen Ereignisse in den letzten zwei Jahren. Tatsächlich erscheint nachträglich alles recht folgerichtig, es hätte wie immer aber auch schlimmer kommen können.
Meine schöne 333999 – die 66,6 hatte ich natürlich dazugeschummelt, was mich erschreckende Rechenleistung gekostet und den Straßenverkehr gefährdet hatte – droht im harmonischen und vielbedeutenden Zeichenversprechen vor allem doch, dass das gute alte Auto mich bald verlassen wird. Es ist kein Diesel! Und irgendwie schillert die ausgewogene TV-Redezeit nur noch irgendwie linkisch wie eine alte Liturgie. Die ‚politischen Klasse’, gerade erst war die LINKE eingerückt, versucht eine trügerische Balance zu behaupten, die sie debakelhaft verliert, ähnlich dem Dieselmotor. Sage keiner, dass das nicht zusammengehört.
Nun, also wieder das: Es wechseln die Zeiten, da hilft kein Gewalt. / Die riesigen Pläne / Der Mächtigen kommen am Ende zum Halt. / Und gehn sie einher auch wie blutige Hähne. / Die Nacht hat zwölf Stunden, dann kommt schon der Tag. // Einen Wahltag meinte der Brecht damit nicht.
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